JAHRESZEITEN IM MENSCHENLEBEN

Im Laufe seines Lebens sucht sich der Mensch und sollte auch zu sich finden. Während seiner geistigen und körperlichen Entwicklung und Heranreifung durchläuft er alle Wandlungsphasen mit seinen psychischen und physischen Manifestationen. Er kann erst dann reifen und zu sich finden, wenn er diese Phasen erleben und ausleben kann.

Der Frühling steht für die Kindheit und Jugend, hier herrscht Bewegung vor. Kräfte messen, Grenzen suchen, und versuchen, sie zu überwinden, mit Trotz, mit Zorn, sich durchzusetzen sind die Bestrebungen des menschlichen Frühlings.

Ist diese Phase durchlebt, hat man gelernt sich einzuschätzen. Die Grenzen werden akzeptiert. Nach den ersten Enttäuschungen werden die überschäumenden vergeudeten Kräfte sinnvoll eingesetzt und der Sommer zeigt sich in seiner Entfaltung, die Kräfte sind orientiert. Freude und Lust der hohen Zeit des Lebens können in vollen Zügen genossen werden.

Und dann kommt das Nachdenken, der sogenannte Spätsommer "ist das Alles?" Mit den bisher gemachten Erfahrungen und Erkenntnissen werden Überlegungen angestellt und Aufgaben sollten klar erkannt werden. Der Wendepunkt wurde erreicht, der Gipfel der Aktivität überschritten. Die Vernunft kanalisiert die Kräfte.

Und dieser Lebensabschnitt führt zu einer Reife. Nach einer Zeit der unbeherrschten Selbstfindung in der Jugend, des genußvollen Erlebens der körperlichen und geistigen Höhepunkte des Lebens, des Nach-denkens und Kombinierens der gemachten Erfahrungen, des geistigen Heranreifens erscheint die Zeit des Abschiednehmens, der Herbst des Lebens.

Abschied von der Jugend, von den Kindern, der Zeugungsfähigkeit bei den Frauen. Abschied bedeutet Trauer. Es ist ein Zeichen der Reife, trauern zu können, nicht zu verdrängen, zu akzeptieren. Andere Werte erkennen, sich konzentrieren auf das Essentielle und einen Zyklus vorbereiten.

Ein Baum in seinem bunten Herbstlaub ist unwahrscheinlich schön, das Licht dieser Jahreszeit hebt die leuchtenden Farben hervor. Bevor die Blätter vertrocknet zu Boden fallen, zeigt er sich im klaren Licht des Herbstes in leuchtenden Farben. Es ist wie ein Aufflammen und Betonen des Äußeren, um die Kräfte dann ins Innere zurückzuziehen. Es ist loslassen der Aktivitäten und Zuwenden zur Spiritualität.

Findet die Spiritualität keinen fruchtbaren Boden, der sich nur im Laufe des Durchlebens und Erlebens aller psychischen und physischen Phasen des Menschenlebens entwickeln kann, dann kann sie nicht Fuß fassen und dem Abschied und der Trauer entspringt die Angst. Die Angst vor dem Alter und dem eigenen Abschied, die Ungewißheit vor dem "Danach".

Es ist das Erkennen des Schwindens der Kräfte, körperlich und geistig, das Gefühl des Wertlos- und des Verlassenseins. Aber Spiritualität ist Weisheit, Gelassenheit und Zuversicht, um dem Winter, der Zeit des Sterbens, der Ruhe entgegenzusehen und um neuem Leben Raum zu geben.

(Helen Blohm, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft
Klassische Akupunktur und Traditionelle Chinesische Medizin e.V.)


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