HERBST + WINTER

Der Umgang mit den Jahreszeiten
in der Traditionellen Chinesischen Medizin

Grundelemente der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sind neben den Begriffen Yin und Yang die fünf Wandlungs-phasen der Energie - oft etwas weniger gut passend als "die fünf Elemente" übersetzt.

Diese fünf Wandlungsphasen (Erscheinungsformen) Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser finden sich im gesamten Leben wieder, auch in den Jahreszeiten: Die Energieform Holz steht für den Frühling, Feuer für den Sommer, Erde für den Spätsommer, Metall für den Herbst und Wasser für den Winter.

Wie nimmt nun die TCM die Energie der einzelnen Jahreszeiten wahr?

Der Herbst

Der Herbst versinnbildlicht die Zeit der Reifung, des Sammelns – die Erntezeit. Metall steht für Wertvolles. Die Wandlungsphase Metall weist auf das Edle und Wertvolle hin, das im Laufe dieses Sommers entstanden ist.

Der Herbst ist die Zeit, das in diesem Sommer Entstandene wahrzunehmen, seine Bedeutung und seinen Wert zu erkennen und es zu schätzen, so wie die Bäume im Herbst ihre Blätter in den tollsten Farben erstrahlen lassen.

Dann folgt die Zeit des Grenzeziehens zwischen dem Wesentlichen, das zu bewahren ist, und dem im Überschwang dieses Sommers entstandenen, das nicht mehr gebraucht wird und jetzt loszulassen ist. So wie die Bäume es tun: Sie ziehen das Chlorophyll aus ihren Blättern und bewahren es, es ist wertvoll. Die übrigen Farbstoffe sind nächstes Jahr leicht neu zu bilden, sie müssen nicht gespeichert werden, sie werden losgelassen.

Die Bäume lassen die Blätter los, die ihnen einen Sommer lang bestens gedient haben – jetzt ist ihre Aufgabe vorbei. Das Unnötige loslassen, sich auf das Wesentliche besinnen ist eine Aufgabe, die im Herbst zu tun ist. Das in diesem Sommer Erreichte sammeln, es bewahren und schützen, den Wert und die Kraft darin spüren.

Das Loslassen des Unnötigen bringt Klarheit, Übersicht und Orientierung. Es lässt uns die Struktur und Richtung des Wesentlichen erkennen – so wie die Bäume jetzt das Gerüst ihrer nackten Äste zeigen.

Das graue Wetter zeigt uns, dass jetzt nicht die Zeit der überschäumenden Aktivität ist. Es beginnt jetzt die Zeit der Ruhe, des Besinnens. Es beginnt langsam der Winter. Im Verständnis der TCM beginnt der Herbst am 7. August und endet am 6. November.

Der Winter

Die Wandlungsphase Wasser markiert den Beginn des Lebens, bildet das Fundament für alle nachfolgenden Phasen. Wasser steht für das Potential, das Wachstum und Gedeihen ermöglicht. Im Winter schließt der Frost den Boden, damit im Dunkeln Nährstoffe und Samen kräftig werden können für ein kraftvolles Hervorbrechen im nächsten Frühjahr.

Aufgabe des Menschen im Winter ist es, Erfahrung zu sammeln, zu speichern und daraus Beständiges zu bilden. Man soll sich über die Essenzen des Lebens und die dauerhaften Werte klarer werden, Orientierung gewinnen. Die Fehler der vergangenen Jahreszeiten sind wahrzunehmen, anzunehmen und es ist daraus zu lernen.

Es sind die Reserven aufzufüllen, um eine solide Basis für die Aktivitäten des nächsten Frühjahres zu bilden. Die Energieform des Wassers ist die Grundlage von Entschluss, Tatkraft, Ehrgeiz und Wille. Zu vermeiden ist ein zielloses sich Treiben lassen, Inkonsequenz, Wankelmütigkeit, Verzagtheit.

Die Dunkelheit dieser Jahreszeit bietet den Schutz und die Ruhe, um diese Aufgaben ausführen zu können. Die Energie ist nicht nach außen zu richten, sondern im Inneren zu sammeln. Äußere Aktivitäten sollen zurückhaltend, bedachtsam und ohne Über-treibung ausgeführt werden.

Es ist die Zeit der inneren Reifung. Es gilt zu reflektieren, zu meditieren und sich in Zurückhaltung und Geduld zu üben. Man soll sich seiner Wurzeln, seines Selbst bewusst werden. Es sind auch die eigenen Mängel, Ecken und Kanten zu sehen und als Bestandteil des Ichs zu akzeptieren.

Trotz der Unzulänglichkeiten soll man mit den Grundfesten der eigenen Persönlichkeit zufrieden sein. Dies ermöglicht dem Menschen, im nächsten Frühjahr mit Stabilität, Wille und körperlichem, geistigem und emotionalem Rückgrat der Umwelt entgegenzutreten und in der Auseinandersetzung zu bestehen.

Allgemeines

Die Zeiten Herbst und Winter werden mitunter als unangenehme, ungeliebte Zeiten erlebt. Im Herbst ist es die Energie des Abschiednehmens, die zu Trauer führt – und Trauer wird nicht gern erlebt. Es ist aber ein Zeichen der Reife, trauern zu können, nicht zu verdrängen sondern zu akzeptieren.

Werden die auftauchenden Gefühle bewusst wahrgenommen, nicht verdrängt, so bleibt genug Energie übrig (die sonst zum Unterdrücken benötigt wird), um auch die anderen Erscheinungs-formen der Energie des Herbstes wahrzunehmen:

  • die Freude über das Erreichte und geschaffene Wertvolle
  • das Wahrnehmen des Wesentlichen
  • das genussvolle Bewahren.

Die Dunkelheit des Winters kann zu Verwirrung führen: Die Energie des Wassers ist nicht nur die Energie des Beginns des Lebens, sondern auch die Energie des Sterbens um neuem Leben Raum zu geben. Wenn dieser Teil der Energie gespürt wird, verursacht er Angst und Ablehnung der Dunkelheit dieser Jahreszeit.

Aber für einen gesunden Menschen mittleren Alters ist das Sterben meist nicht das aktuelle Thema. Die Energie des Wassers begleitet gleichermaßen das Ende eines Menschenlebens so wie das Ende des Jahreszyklus und auch das Ende eines einzigen Tages, die Nacht. Der gesunde Mensch mittleren Alters kann die Dunkelheit und die Energie des Wassers – die Ruhe und das Auffüllen der Reserven – im Winter genau so genießen, wie er sie jede Nacht genießt.

Die traditionelle chinesische Medizin beschreibt die Wirkung und Energie der einzelnen Jahreszeiten und gibt Empfehlungen, wie mit diesen Jahreszeiten am besten umzugehen ist um lange gesund zu bleiben. Es ist hilfreich, diesen Empfehlungen zu folgen. Man nützt damit die Energie, die einen umgibt, als Unterstützung für das eigene Tun.

In unserem modernen Leben ist es oft sehr schwer möglich, den Empfehlungen immer zu folgen. Das bedeutet nicht, sofort krank zu werden. Aber es weist darauf hin, dass man für das eigene Tun jetzt weniger Unterstützung von außen erhält. Es ist daher sehr sinnvoll, auf das eigene Energieniveau zu achten und sich auf andere Weise um das Zuführen von Energie zu bemühen.

(Auszüge aus den Büchern von Udo Lorenzen und Andreas Noll:
 Die Wandlungsphasen der traditionellen chinesischen Medizin
 Band 4: Die Wandlungsphase Metall
 Band 5: Die Wandlungsphase Wasser
 Verlag Müller & Steinicke, www.mueller-und-steinicke.de)

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